Nürnberg. Einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Europapolitik fordern die in der SPD organisierten Arbeitnehmer. Bei ihrer Landeskonferenz in Nürnberg plädierten sie geschlossen für eine „soziale und ökonomische Wende“ und übten heftige Kritik am Vorgehen der europäischen Regierungen in den letzten Wochen. Als Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) wurde der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel (59) wieder gewählt.
Dr. Dierk Hirschel, Bereichsleiter der Gewerkschaft ver.di für Wirtschaftsfragen und Europa machte gegenüber den Delegierten aus ganz Bayern deutlich, dass die jetzige Spar- und Umverteilungspolitik nicht nur Griechenland und dem Euro keine Chance lasse, sondern letztlich auch einem stark exportorientierten Land wie Deutschland massiv schade. Jetzt aber gelte es, so die AfA in einer Resolution, gegenseitige Verletzungen auf dem Kontinent aufzuarbeiten und die Spaltungstendenzen in Europa zu bekämpfen.
Zweiter Schwerpunkt der Konferenz war die Alterssicherung. „Wir müssen die gesetzliche Rente wieder armutsfest und lebensstandardsichernd machen“, so der Landesvorsitzende Klaus Barthel. Die Riesterrente und jede Privatisierung der Altersvorsorge habe sich als der falsche Weg erwiesen, die dem völlig falschen Personenkreis nutze. Das Rentenniveau müsse wieder angehoben, der Nachhaltigkeitsfaktor müsse gestrichen werden. Mit der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren und den Verbesserungen bei der Mütterrente und den Renten wegen Erwerbsminderung konnte die SPD, so Barthel, erstmals seit Jahrzehnten wieder strukturelle Verbesserungen im Rentenrecht durchsetzen. Es komme jetzt darauf an, die Demographiereserve der gesetzlichen Rentenversicherung auszubauen, statt Anreize für private Lebensversicherungen zu schaffen. „Die Rendite ist bei keiner Altersversorgung höher, als bei der gesetzlichen Rente“ rechnete Harald Unfried, stellvertretender AfA-Vorsitzender in Bayern, den Delegierten vor.
Die große Koalition in Berlin sieht die AfA in schwierigem Fahrwasser. Ob flexible Übergänge in den Ruhestand, verbindliche Tarifklauseln im Vergaberecht, ob konsequente Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen: Bei allen diesen im Koalitionsvertrag festgelegten Vorhaben blockiere die Union ebenso, wie bei der Festlegung von roten Linien für die Freihandelsabkommen CETA und TTIP. Stattdessen gefährde vor allem die CSU das Streikrecht und gefährde durch ihre europapolitische Geisterfahrt Millionen von Arbeitsplätzen in der Exportwirtschaft. „Derzeit sehen wir mehr Bruchstellen als Gemeinsamkeiten“, warnte Klaus Barthel und erteilte damit auch allen Koalitionsdebatten in Bayern eine Absage. Er forderte die Führung seiner Partei auf, die Linien gerader und klarer zu ziehen, anstatt mit ständig wechselnden Positionen vermeintlichen Mehrheiten hinterher zu laufen.
Bei den Neuwahlen zum Landesvorstand wurde Klaus Barthel mit über 97 Prozent wiedergewählt. Zu seinen Stellvertretern wählte die Konferenz Mathias Eckardt (Coburg), Marko Poggenpohl (München), Ilona Sommerreißer (Augsburg), Harald Unfried (Landshut) und Ursula Weser (Nürnberg). Insgesamt gehören dem AfA-Vorstand Bayern 25 Mitglieder an.